Expertenrat
Unser Sohn 20 Jahre alt, ist dauerhaft hyperaktiv, aufbrausend, und häufig selbst- oder fremdaggressiv, sobald er psychische Spannungen verspürt.
Frage von DLCS:
Unser Sohn ist 20 Jahre alt. Wir haben ihn im Alter von vier Monaten adoptiert, in einem körperlich und psychisch sehr, sehr elenden Zustand. Mit drei Jahren wurde eine Kanner-Autismus Diagnose gestellt, Wir haben seither alle verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten für unser Kind mobilisiert. D. kann heute zumindest etwas sprechen, bleibt aber in seinem Lernvermögen und seinem Verhalten weiterhin schwer gestört.
Er ist dauerhaft hyperaktiv, aufbrausend, und häufig selbst- oder fremdaggressiv, sobald er psychische Spannungen verspürt – Eifersucht, Ärger etc. Wir sind der Frage nach dem Zusammenhang zwischen Darmflorastörungen und Autismus wiederholt nachgegangen, da unser Kind auch oft monatelang schweren Durchfall hat, gegen den wenig hilft. Eine Darmflora-Untersuchung in einer Kinderklinik ergab keinerlei Auffälligkeiten, der probeweise Umstieg auf glutenfreie Nahrung ergab keine Veränderung. Könnten wir ihm nach Ihrer Auffassung durch die Gabe von Probiotika helfen?
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Antwort:
Sehr geehrte Eltern eines Kindes, das an einer „Low-Function-Autismus-Spektrum-Störung“ (ASS) leidet (früher „Kanner-Autismus“ genannt).
Die von Ihnen geschilderte Symptomatik ist sowohl was die psychischen und sozialen Probleme anbelangt, als auch im Bezug auf eine chronische Störung des Darmes typisch für dieses schwere Krankheitsbild, für dessen Behandlung uns bis vor kurzem keine gesichert wirksamen Medikamente zur Verfügung gestanden haben. Nach aus der Fachliteratur breit gesicherten Erkenntnissen ist vom Einsatz eines Lactobacillus-plantarum Präparates sowohl in Bezug auf die psychososoziale, als auch die Darm-Symptomatik eine positive Beeinflussung zu erwarten, so dass ich Ihnen zu einem Behandlungsversuch mit dem zur Verfügung stehenden hoch dosierten, in Apotheken frei verkäuflichen Nahrungsergänzungsmittel raten möchte. Dabei sollte dieser Behandlungsversuch über mehrere Monate angesetzt werden und – vor allem, wenn Ihr Sohn zusätzliche Medikamente, gar Antibiotika einnehmen sollte – mit 2 Sticks à 30 x 10 hoch 9 KBE Lactobacillus plantarum begonnen werden. Dieses Probiotikum wird seit vielen Jahrzehnten umfangreich in der Lebensmittel-Produktion eingesetzt und hat seine gesundheitliche Unbedenklichkeit breit unter Beweis stellen können. Nach Eintritt einer Besserung der psychosozialen, wie der Magen-Darm-Symptome kann auf eine Langzeit-Behandlung mit 1 Stick umgestellt werden, auch um die Darmflora nachhaltig ausreichend in ein gesundes Gleichgewicht kommen kann.
Sie haben zwar keine Schlaf-Problematik eigens erwähnt. Da eine solche aber bei Kindern mit ASS häufig vorkommt, sei auf ein weiteres in der Zwischenzeit auch als Langzeit-Medikation bewährtes Präparat hingewiesen, aus der Reihe der Melatonin-Analoga, das in einer speziell für Kinder und Jugendliche mit ASS günstigen Verabreichungsform vorliegt und das Ihnen ggbf. Ihr betreuender Arzt verordnen kann.
Wegen des chronischen Durchfalles sollten Sie – nach meiner Auffassung – mit dem betreuenden Arzt besprechen, ob hier nicht eine umfassende Gastroenterologische Abklärung, ggbf. unter Zuziehung einer Spezial-Ambulanz durchgeführt werden sollte, falls dies noch nicht geschehen ist.
Mit den besten Wünschen für die Gesundheit Ihres Kindes verbleibe ich, in der Hoffnung, dass die großen Belastungen, die Sie zu bewältigen haben durch die oben genannten Maßnahmen reduziert werden können
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Ulrich Enzel, Kinder- und Jugendarzt
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